Oberkirchenrat Prof. Mag. Johann Jakob Wolfer - |
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Kurzgeschichten |
Kurzgeschichten
Er macht richtig, was wir verkehrt gemacht haben (w)
Es war
in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als in Österreich
die deutsche Reichsmark eingezogen und der Schilling wieder
eingeführt wurde. Bei dieser Währungsumstellung
mussten alle Markbeträge abgeliefert werden und jeder
bekam höchstens 150 Schilling ausgefolgt. Es ging alles
nach einem festen Plan.
Am vorletzten Tag der Umstellung hatten die Ämter ihr
Reichsmarkbeträge abzuliefern ohne allerdings etwas dafür
zu bekommen, am letzten Tag die Lebensmittelhändler.
Befehl ist Befahl und Anordnungen der Obrigkeit müssen
befolgt werden nach dem Römerbrief, Kapitel 13. Danach
handelten auch wir im Pfarramt Wien-Währing und schickten
als gehorsame Untertanen unseren Küstner mit dem gesamten
Markbetrag, den wir hatten, schon zeitig früh zur Einzahlstelle;
in der festen Überzeugung, dass wir von diesem Geld ohnehin
nie wieder etwas sehen würden.
Damals war das Anstellen und Schlangestehen grosse Mode und
so stellte sich auch unser Küstner schon um halb sieben
Uhr früh an und kam erst am späten Vormittag wieder
zurück.
Warum wir das gemacht haben und das Geld nicht lieber gleich
in den Ofen gesteckt haben? So mag vielleicht mancher Junge
fragen. Wir hätten damit zu mindesten dem Küstner
das stundenlange Anstellen erspart. Richtig! Aber wer hat
damals ohne besonderen Notstand Anordnungen der Regierungen
missachtet? Ihre Einhaltung überwachte nicht nur die
eigene Polizei, sondern auch die Organe der vier Besatzungsmächte,
die keinen Spass verstanden.
Als unser
Küstner und das reichsdeutsche Geld weg waren, kamen
zwei arme Frauen in die Pfarrkanzlei und baten mich um eine
finanzielle Hilfe, weil sie kein Geld zum Umtauschen besassen.
Wir hatten zwar schon an den Vortagen nach Möglichkeit
geholfen, aber an diesem letzten Tag rechneten wir mit keinem
Bittsteller mehr. Jetzt stand ich da und ärgerte mich
riesig, dass im ganzen Pfarramt keine armselige Mark mehr
aufzutreiben war.
"Herr Gott!, dachte ich bei mir, "was waren wir
doch für Hornochsen, dass wir alles Geld abgeliefert
haben! Aber wo wir versagt haben, musst Du doch nicht versagen",
und seufzte auf.
Diesen
Seufzer und dieses ganz unorthodoxe Gebet - war es überhaupt
ein Gebet? erhörte Gott im Handumdrehen.
Ob es jemand glaubt oder nicht, in diesem Moment klopfte es
an der Tür, der Fabrikant S., den ich schon bei meinen
ersten wunderbaren Erlebnissen dieser Reihe erwähnt habe,
öffnete sie nur einen Spalt, winkte mich heran und drückte
mir etwas in die Hand. "Vielleicht können sie es
noch brauchen," Und schon war er wieder weg.
Ich war so überrascht, dass ich weder grüsste noch
dankte. Aber das wurde mir bald klar, dass ich Geld in der
Hand hielt. 1000 Reichsmark, wie es sich gleich herausstellte.
Überglücklich
vor Freude, dass ich jetzt den beiden Frauen helfen konnte,
gab ich jeder gleich 150 Reichsmark, die sie in 150 Schilling
umtauschen konnten, und trug ihnen auf, auch andere zu verständigen,
die nichts zum Umtauschen hatten.
Es dauerte keine Stunde und ich war die 1000 Reichsmark los.
Da aber tauchten vor zwölf noch drei weitere Gemeindeglieder
auf, für die ich nichts mehr hatte. Wäre ich nicht
so grosszügig gewesen und hätte ich vorher jedem
100 statt 150 Reichsmark gegeben, hätten auch die drei
noch etwas bekommen können. Dann ging es mir weiter durch
den Kopf: "Wenn man so dumm ist, dann darf man Gott gar
nicht mehr bitten, dass er recht mache, was wir verkorkst
haben. Oder?" Dieses Oder, dass nicht völlige Resignation
und nicht völliger Unglaube war, hörte Gott.
Ich traue
mich gar nicht weiter zu erzählen, weil ich überzeugt
bin, dass viele mir nicht glauben werden. Aber so wahr es
einen Gott gibt, in dem Moment, als ich das "Oder"
seufzte, erschien der gleiche Fabrikant S. und übergab
mir noch einmal eine Geldsumme. diesmal 960 Reichsmark, die
er in einer seiner Kassen gefunden hatte und mit der er nichts
mehr anfangen konnte, wie er mir zuflüsterte.
Diesmal muss ich bestimmt noch dümmer dreingeschaut haben,
weil ich das allen nicht begreifen konnte. Gott besserte ganz
sichtbar aus, natürlich durch Herrn S., was ich verkehrt
gemacht hatte. In einer Weise, dass mir bei dieser Erinnerung
heute noch ein Schauer über den Rücken fährt.
Wenn es
in diesem Erlebnis um mich ginge, müsste ich jetzt schliessen.
Aber da es um Gott und seine Ehre geht, muss ich noch weiter
berichten auch wenn es zu meiner Unehre gereicht. Denn jetzt
war ich mit den 960 Reichsmark vorsichtig und gab jedem der
Bitsteller nur 100 Reichsmark. Und das war ganz falsch und
verkehrt. Gott hatte mir reichlich gegeben, damit ich reichlich
weitergebe. Da wurde ich aber kleingläubig, vorsichtig,
handelte nach menschlicher Weisheit und dann bleiben mir noch
460 Reichsmark übrig, die ich nicht mehr anbrachte. Dieses
übrig gebliebene Geld, der sichtbare Beweis des mangelnden
Vertrauens zu Gott, brannte mir so in den Händen, dass
ich es schnellstens vernichtet habe; allerdings mit dem festen
Vorsatz, von nun an Gott viel mehr zuzutrauen.
Heute
weiss ich, dass ich diese Scheine hätte aufbewahren sollen
zur steten Mahnung, denn ich habe meinen Vorsatz doch immer
wieder vergessen, oft unverzeihlich arg, wie gleich das nächste
wunderbare Erlebnis in meinem Leben beweist.
Quelle:
"Er tut grosse Dinge" aus dem Kalender "Glaube
und Heimat" von Jakob Wolfer 1972
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