Oberkirchenrat Prof. Mag. Johann Jakob Wolfer - Galizien |
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Erinnerungen an meine Heimat Galizien
Reichau,
Einsingen, Deutschbach, Felsendorf, Smolin, Lindenau
Meine
Vorfahren, soweit sie auf Grund des Josephinischen Toleranzpatentes
von 1781 in Galizien angesiedelt waren, stammen alle
aus deutschen Kolonien, die zum evang. Pfarramt A.B.
in Reichau, Bezirk Lubaczow, Galizien, gehörten,
und zwar aus Reichau, Einsingen, Deutschbach, Felsendorf,
Deutsch-Smolin und Lindenau.

Die
Gemeinde Reichau wurde im Jahre 1783/4
gegründet. Nach einem Ausweis des Ansiedlungsreferenten
von Kranzberg aus dem Spätsommer 1784 waren waren
zu dieser Zeit in Baszina (die Ortsbezeichnung von Reichau
war damals noch nicht offiziell in Gebrauch. Die neugegründete
Kolonie wurde nach dem in der Nähe liegenden Ruthenischen
Dorf benannt) 17 Häuser und Stallungen in Bau begriffen.
Mit den Scheunen war es noch nicht so weit. Nach einem
Ausweis desselben vom 3. Februar 1886, der den Stand
vom 31. 10. 1785 wiedergibt, waren zu dieser Zeit in
Baszina 18 Familien mit 94 Seelen, alle evangelischer
Religion, angesiedelt.
Erst im Ausweis vom 27. 07. 1786 wird die Ortschaft
bereits Reichau genannt. Die Taufbücher beginnen
mit 1788.

Die Gemeinde bestand zur Zeit der Gründung aus
16 Bauern und zwei Handwerkerfamilien. Die Kolonie war
an der Stelle angelegt, wo zur Gründungszeit die
kameralischen Gutsgebäude standen. Das Vogthaus
wurde zum Pfarrhaus und ein vorhandener Fruchtspeicher
zur Kirche eingerichtet. Ersteres wurde im Jahr 1860,
letzteres im Jahre 1862 durch schöne Neubauten
aus Stein ersetzt. Die einklassige Schule mit deutscher
Unterrichtssprache wurde gleichzeitig mit der Kolonie
gegründet. Das alte Schulgebäude aus Lehm
wurde 1880 durch ein gemauertes ersetzt. Kirche und
Schule waren, wie in allen anderen Kolonien auch, Trägerinnen
und Erhalterinnen des Glaubens und Volkstums von Anfang
an. Die Ortschaft dürfte auf Grund der schönen
und gesunden Lage als "reiche Au" betrachtet
und daher auch mit "Reichau" benannt worden
sein.

Einsingen,
19km von Reichau entfernt, wurde 1783 gegründet.
Der erste Ausweis des Ansiedlungsreferenten von Kranzberg
enthält merkwürdigerweise diese Kolonie nicht.
Im Zeiten wird die Familienanzahl von Dziew ierz (nach
dem ruthenischen Dorf benannt) mit 33 und die Seelenzahl
mit 168 angegeben, alle evangelischer Religion.
Im dritten Ausweis heisst der Ort "Einsingen".
Gleich mit der Ansiedlung entstanden auch eine deutsche
Schule und ein Bethaus. Die Gemeinde wurde, obzwar sie
grösser war und blieb, der evangelischen Pfarrgemeinde
zugeteilt. Am 09. März 1836 brannte die Hälfte
der Siedlung ab, darunter auch das Schul und Bethaus.
Schon 1837 wurde ein Schulhaus aus Stein erbaut und
1842 unter denselben Dach ein Saal als Bethaus errichtet.
1886 wurde die gemauerte Kirche erbaut und 1903 das
alte Schulhaus durch ein neues ersetzt.
In den Jahren 1900 - 1903 sind von Einsingen acht deutsche
Familien ausgewandert (nach Bosnien in die Gegend von
Dervent, nach Posen und Amerika). Diese Auswanderungswelle,
angeregt durch preussische Agenten, hat auch anderen
Kolonien und dem ganzen Deutschtum Galiziens vieles
und gutes Menschenmaterial entzogen. Die Pfarrgemeinde
in Reichau hat darunter besonders gelitten.

Deutschbach wird ebenfalls in dem ersten Ausweis des Ansiedlungsreferenten
nicht erwähnt. Im zweiten zählt "Brusno"
18 Familien mit 82 Seelen, davon nur 1 evang. A.B.,
17 reformiert. Im dritten Ausweis tritt ebenfalls schon
die deutsche Bezeichnung "Deutschbach" auf.
Felsendorf: In "Opaka" waren nach dem ersten Beitritt
des Ansiedlungsreferenten 9 Häuser und Stallungen
im Bau, nach dem zweiten befanden sich dort bereits
12 Familien mit 61 Seelen, alle reformiert.
Smolin wurde 1748 gegründet. Im Spätsommer 1784 7
Häuser und Stallungen im Bau. Nach dem zweiten
Bericht waren um diese Zeit schon 15 Familien mit 78
Seelen, alle evang. A.B. angesiedelt.
Die gesamten Kolonien waren auf dem Kammeral-Dominion
von Lubaczow, damals Kreis Zolkiew, errichtet worden.
Von den anderen Gründungen in Dominion sind nur
noch die Namen übriggeblieben. Freufeld mit 20
kath. Familien (95 Seelen) Lindenau mit 10 Familien,
9 evang. A.B., 1 reform. (48 Seelen). Burgau mit 6 kath.
Familien (38Seelen), Ostrowitz mit 10 Familien, 2 kath.,
8 evang. (50 Familien) und Feldbach mit 16 kath. Familien
(65 Seelen).
Interessant ist folgende Festestellung, die sich aus
dem oben Erwähnten ergibt: Die Kolonien mit kath.
Siedlern "Freufeld, Burgau und Fehlbach) gingen
im kath. Polentum auf und gingen dem Deutschtum am schnellsten
verloren. Auch die reformierten Kolonien hielten sich
nicht (Felsendorf und Deutschbach). Nur Reichau, Einsingen
und Smolin, die rein evang. A.B. waren, erhielten sich
lebensfähig bis zu ihrer Auflösung durch die
Rücksiedlung ins Reich.

Quelle:
Familienchronik Wolfer aus dem Teil Jakob Wolfer um 1941
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