Oberkirchenrat Prof. Mag. Johann Jakob Wolfer - Galizien |
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Erinnerungen an meine Heimat Galizien
Von
Hartfeld nach Wien
Welch
ein Wechsel war es doch, von Galizien nach Österreich
und speziell nach Wien zu gehen. Welch ein Unterschied
zwischen dieser Stadt und dem kleinen Nest Hartfeld!
Wer
mein Büchlein "Als Vikar und Pfarrer in Galizien"
gelesen hat und Wien kennt, wird etwas davon gemerkt
haben. In Wirklichkeit war aber noch viel mehr dahinter.
In Hartfeld, wo ich zunächst als Pfarrer gelandet
war, wäre ich in Gefahr gewesen, bequem zu werden
und zu verbauern, Wien aber mit all seinen Möglichkeiten
und Notwendigkeiten hat mich auf Trapp gehalten. Auf
eine Beerdigung in Hartfeld kamen in Wien zehn und mehr.
Und ähnlich war es mit den anderen Amtshandlungen.
Da war wieder dei Gefahr gross, das Amt zur Routine
werden zu lassen und alles hopp, hopp zu machen. Ich
danke Gott, dass er mich vor beidem bewahrt hat. Ich
nehme es zum mindesten an. Beurteilen müssen es
andere.
Wenn
ich auf das halbe Jahrhundert im Dienst zurückblicken
dann ziehen vor meinem geistigen Auge die vielen Tausende
vorüber, denen ich die frohe Botschaft von Gottes
Liebe verkündigen durfte, denen ich die Heilige
Schrift auslegen konnte, die ich in der Beichte zur
Umkehr rufen und denen ich die Vergebung zusprechen
durfte, und die ich mit dem heiligen Abendmahl im Glauben
gestärkt habe.
Da denke ich auch an die Hunderte von Kindern, die ich
getauft, im Religions- und Konfirmandenunterricht unterwiesen
und konfirmiert habe, die dann gekommen sind, dass ich
sie traue, ihre Kinder taufe, sie unterweise und konfirmiere.
Und manche von diesen Kindern haben sich dann auch wieder
von mir trauen lassen und sind nachher mit ihren Kindern
gekommen ...
So sind zwei, in besonderen Fällen sogar drei Generationen
von mir begleitet worden.
Wie viele musste ich trösten oder ihnen in besonderen
Nöten helfen und mit wie vielen durfte ich mich
freuen und fröhlich sein bei Tauf-, Hochzeitsfeiern
und anderen Festen.
An wie vielen Krankenbetten bin ich gestanden. Wie vielen
Sterbenden habe ich die letzte Wegzehrung gereicht oder
auch nur mit ihnen gebetet. Und schliesslich wie viele
habe ich zur letzten Ruhe eingesegnet.
Gott
schenke ihnen allen den ewigen Frieden. Auch denen,
die noch nicht so weit sind, einschliesslich mir.
Was
ist all dem Samen geworden, den ich im Namen Gottes
ausstreuen durfte? Wie viel davon ist auf gutes Land
gefallen? Bei manchen konnte ich erleben, dass er aufgegangen
ist und Früchte getragen hat. Was aber ist mit
den vielen Anderen? Das weiss Gott allein! Er verzeihe
mir auch alles, was ich versäumt habe. Und wo ich
gefehlt habe, kann er es trotzdem gut machen. Das allein
ist mein Trost, wenn ich auf das halbe Jahrhundert Dienst
im Weinberge Gottes zurückblicke.
Quelle:
Familienchronik Wolfer aus dem Teil Jakob Wolfer um 1983
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