Evangelischer Bund in Österreich |
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Bundesobmann Oberkirchenrat Prof. Mag. Johann Jakob
Wolfer
80
Jahre Evangelischer Bund in Österreich
Der
Evangelische Bund in Österreich, ein freier Zusammenschluss
verantwortungsbewusster evangelischer Christen, blickt
heuer auf sein 80jähriges Bestehen zurück. Seine
Aufgabe war und ist mitzuhelfen, die Botschaft und Segnungen
der Reformation nicht nur zu erhalten, sondern sie auch
weiter zu erschliessen und die Evangelischen zur Wachsamkeit
gegen die Gefährdung des Evangeliums zu rufen, woher
immer sie kommt; ob nun aus den eigenen Reihen in Form
von Gleichgültigkeit und Unkenntnis oder von außen
in der Gottlosigkeit des verschieden geprägten Materialismus;
ob sie von seiten der Sekten kommt oder vom römischen
Katholizismus. Der Evangelische Bund will keinen konfessionellen
Streit, es geht ihm aber um die Wahrheit des reinen Evangeliums.
Für sie tritt er mit allen seinen Möglichkeiten
ein. Um diese Wahrheit muss es aber auch den anderen christlichen
Kirchen gehen, wenn sie einander verstehen und näher
kommen wollen. Denn nur das wahre, reine Evangelium kann
dazu führen. Darum ist die Arbeit des Evangelischen
Bundes auch im "ökumenischen Zeitalter"
nicht überflüssig geworden, sondern nur noch
notwendiger als bisher.
Ein kurzer geschichtlicher Rückblick
Als im Jahr 1883 der gesamte Protestantismus sich zur
Feier des 400. Geburtstages D. Martin Luthers rüstete
(wir begehen in diesem Jahr seinen 500. Geburtstag I),
gewann in den Herzen vieler die Überzeugung Raum,
es müsse die Dankbarkeit des evangelischen Volkes
ein dauerndes Gedächtnis an den 10. November schaffen.
Nach umfangreichen Vorbereitungen wurde am 5. Oktober
1886 in Erfurt von vielen führenden Persönlichkeiten
der "Evangelische Bund" gegründet; zur
Wahrung der evangelischen Interessen gegenüber der
Macht Roms und zur Stärkung des evangelischen Gemeindebewusstseins.
Die Satzungen haben im Laufe der Zeit manche Änderung
erfahren.
Nach Österreich kam der Evangelische Bund 1903. Er
wurde in Wien gegründet; von führenden Männern
der österreichischen evangelischen Kirche, wie Pfarrer
Antonius, Wien, Senior D. Eckhardt, Graz, Superintendent
Gummi, Aussig, Dr. Schmidt, Bielitz, die Reichstagsabgeordneten
Dr. Bareuther, Mülwert, Eisenkolb, Rechtsanwalt Gunesch
u. a.
Bei uns widmete sich der Evangelische Bund, der gleich
in seinem ersten Jahresbericht 45 Ortsgruppen mit 2.425
Mitgliedern auswies, nachdrücklich und erfolgreich
der Kräftigung
des Protestantismus, vor allem in der "Los-vonRom-Bewegung".
Wir wollen es nicht vergessen, dass es der Evangelische
Bund war, der in der grossen Zeit der Aufbaubewegung unserer
Kirche um die Jahrhundertwende Pfarrer nach Österreich
gebracht hat, die zu ihren besten zählten, z. B.
Superintendent D. Heinzelmann, Villach, Senior D. Eckhardt,
Graz, Pfarrer Dr. Mahnert, Innsbruck, und viele andere.
Und der Evangelische Bund war es, der vielen jungen Leuten
das Studium der evangelischen Theologie ermöglicht
und vielen Gemeinden finanziell geholfen hat.
Im Laufe seiner 80jährigen Geschichte hat der Evangelische
Bund in Österreich manche Änderung in seiner
Gliederung und Arbeitsmöglichkeit erfahren. 1933
schloss er sich als österreichischer Hauptverein
an den Evangelischen Bund in Deutschland an, in der nationalsozialistischen
Zeit wurde seine Tätigkeit lahmgelegt und die Organisation
aufgelöst.
Nach dem Krieg lebte der Evangelische Bund in Österreich
mit der Genehmigung seiner neuen Satzungen vom 25. Nov.
1947 als selbständiger Verein wieder auf. Die Leitung
übernahm Senior Muhr, Wien, der vor der Auflösung
sein letzter Obmann gewesen war. Die schwere Nachkriegszeit
erlaubte nur eine Tätigkeit in sehr bescheidenem
Rahmen.
Der große Aufschwung
1956 übernahm Pfarrer Wolfer, Wien, die Leitung des
Evangelischen Bundes in Österreich. Gleich in seinem
ersten Jahresbericht konnte der neue Obmann von einer
Vervierfachung der Mitgliederzahl, einer Verfünffachung
der Geldeingänge und der Begründung der Schriftenreihe
mit dem ersten Heft "Wozu brauchen wir den Evangelischen
Bund in Österreich?" berichten. Und dann ging
das Wachstum des Bundes rasch weiter. Wies der Jahresabschluss
1956 nur rund 5.000 Schilling aus, war er 1966 schon auf
163.000 Schilling gestiegen und 1976 auf 407.000 Schilling,
in runden Zahlen angeführt.
Abgesehen von Wien, wo die Hauptleitung des Evangelischen
Bundes ihren Sitz hat, gab es in Österreich einige
Zentren in der Steiermark, in Kärnten, im Burgenland,
in Niederösterreich und Oberösterreich, die
besonders fleißig mitarbeiteten.
In Graz und Umgebung wirkte Pfarrer Dr. Bernhard Zimmermann
und gab eine Schriftenreihe unter dem Titel "Die
Botschaft, Blätter christlicher Verantwortung"
heraus. In Kärnten stellte sich Pfarrer Oskar Hengsten
berg in den Dienst der Sache und gründete den Zweigverein
Kärnten-Osttirol mit Ortsgruppen in Spittal an der
Drau, Klagenfurt, Feld am See, Lienz. Im Burgenland entstanden
Ortsgruppen in Oberwart und Kobersdorf, die lange Zeit
zu den größten gehörten, und in Nickelsdorf,
in Niederösterreich in Bruck an der Leitha, für
die Presbyter Neuhauser allein 53 Mitglieder warb, in
Baden, WienerNeustadt, St. Pölten, Krems an der Donau,
in Oberösterreich in Braunau. In der Steiermark kam
zu Graz auch eine Ortsgruppe in Admont und Stainach-I
rdning.
Im Laufe der Jahre hat die Vereinstätigkeit des Zweigvereines
Kärnten-Osttirol und der Ortsgruppen nach und nach
aufgehört. Die organisierten Gruppen haben sich aufgelöst,
weil ihre führenden Kräfte weggestorben, fortgezogen
sind oder aus Altersgründen die Arbeit nicht mehr
tun konnten oder wollten und sich keine Nachfolger für
sie fanden. Der Hauptverein in Wien übernahm die
Mitglieder der aufgelösten Gruppen und betreut sie
seither direkt, so wie er die Mitgliede' des Evangelischen
Bundes in den Gemeinden ohne Ortsgruppen auch schon bis
dahin betreut hatte und betreut. Einzelne Pfarrer bestellen
heute für die Mitglieder des Evangelischen Bundes
in ihrem Sprengel oder zur Werbung für ihn eine kleine
oder größere Zahl der Schriftenreihe und anderer
Aussendungen des Evangelischen Bundes und bieten sie auf
dem Büchertisch an.
So
werden an die Gemeinde Oberwart 400 Exemplare, an Kobersdorf
und Wien-Hütteldorf (mit ihrer Arbeit an Hör-
und Sehbehinderten) je 300 und an weitere Gemeinden je
nach Bestellung 10 bis 80 Exemplare geschickt. Das sind
die Gemeinden Wien-Hietzing, Eltendorf, wo der Kurator
der Gesamtgemeinde, Landtagsabgeordneter Kom.-Rat Julius
Nikles, im vorigen Jahr 48 neue Mitglieder für den
Evangelischen Bund geworben hat, Mörbisch am See,
Feld am See, Pörtschach, Trebesing, Zlan und Lienz,
Amstetten, Baden, Gmünd, Krems an der Donau, St.
Pölten, Stockerau, Ternitz; die Gemeinden Attersee
(Mondsee), Bad Ischl, Gmunden, Zell am See, Admont (Liezen),
Bad Aussee, Knittelfeld und Schladming sowie die Militärsuperintendentur
in Wien und der Armeepfarrer in Wien. Als leuchtendes
Beispiel der grossartigsten Werbung eines Laien für
den Evangelischen Bund sei hier der Presbyter Leopold
Wörner aus Wien-Mauer genannt, der innerhalb weniger
Jahre 300 Mitglieder geworben hat.
Was
macht der Evangelische Bund?
Seinem gesteckten dreifachen Ziel zu dienen (1. Erhaltung
und Mehrung des Erbes der Reformation und ihrer Segnungen,
2. Abwehr aller Angriffe auf das reformatorische Erbe,
woher sie auch immer kommen, und 3. Weckung und Stärkung
des evangelischen Bewusstseins), versucht der Evangelische
Bund in Wort und Schrift zu entsprechen.
So veranstaltet er erstens Vorträge, Diskussionen,
Familienabende, Arbeitstagungen. Sie werden vom Bundesobmann
und von anderen Theologen des In- und Auslandes gehalten.
Hier seien nur einige Themen solcher Vorträge und
Diskussionen herausgegriffen: "Die Reformation als
bleibende Aufgabe", "Es ist eine Freude, evangelisch
zu sein", "Hat der Protestantismus noch eine
Zukunft?", "Der Christ und die Politik",
"Bekennen und Bekenntnis", die der Bundesobmann
gehalten hat. ,,wissen, Gewissen, Gewissheit", "Die
unaufgebbaren Aufgaben der Evangelischen Kirche",
das sind Beispiele von Themen, über die Superintendent
i. R. Achberger in Graz gesprochen hat. Auch Vortragende
aus Deutschland kamen immer wieder zu Vorträgen nach
Österreich, und der Bogen ihrer Themen war weit gespannt.
Zur Erreichung seiner Ziele dient dem Evangelischen Bund
zweitens sehr entscheidend die Schriftenreihe, die der
Obmann seit 26 Jahren herausgibt und von denen bisher
92 Nummern erschienen sind. Ab der Doppelnummer 91/92
hat der Obmann-Stellvertreter, Pressepfarrer Paul Weiland,
die Schriftleitung übernommen. Jährlich erscheinen
vier Hefte, die in der letzten Zeit, um Zeit und Geld
zu sparen, auf zwei Doppelhefte reduziert wurden; mit
70 bis 80 Seiten und in einer Auflage, die auch etwas
reduziert wurde und jetzt 3500 bis 4000 Exemplare beträgt.
Auch hier seien nur einige Beispiele solcher Themen, die
in den letzten fünf Doppelheften behandelt wurden,
angeführt: "Der Papst und wir" (Wolfer
in Heft 81/82 aus 1980), "Evangelischer Religionsunterricht
in Österreich - Gewissensangebot zwischen Kirchenprivileg
und Kulturauftrag" (Stein in Heft 83/84 aus 1980),
"Wie steht es um die Ökumene nach dem Papstbesuch
im Land der Reformation" (Wolfer in Heft 85/86 aus
1981), "Toleranz und Bekenntnis" (Reingrabner),
"Grenzen und Hoffnungen in der Ökumene"
(Klapper), "Zur Bedeutung des Protestantengesetzes
von 1961" (Reingrabner). Alle drei Beiträge
erschienen im Heft 87/88 aus 1981. "Das evangelische
Verständnis des geistlichen Amtes im Licht des heutigen
ökumenischen Gesprächs" (Stein in Heft
89/90 aus 1982), "Protestant sein in Österreich
- 201 Jahre nach dem Toleranzpatent" (Weiland), "Die
Bibel - Gottes Wort im Wandel der Zeit" (Hanselmann).
Beide Aufsätze erschienen in Heft 91/92 aus 1982.
Nach
den ein bis drei Hauptbeiträgen enthält jede
Nummer der Schriftenreihe Nachrichten über den Protestantismus
in aller Welt, geordnet nach Erdteilen und Ländern,
Nachrichten über die Ökumene, Bibel, Mission,
die katholische Kirche (Catholica), den Islam und andere
Religionen, die Sekten und schließlich "Allerlei".
Jede erste Nummer im Jahr enthält auch einen Kassa-
und Tätigkeitsbericht über das abgelaufene Jahr
sowie - über Wunsch von Lesern - ein Inhaltsverzeichnis.
Drittens sind es Flugblätter, in denen der Evangelische
Bund zu besonders aktuellen und brennenden Fragen Stellung
nimmt. Bisher sind 25 Nummern erschienen, von denen die
höchste Auflagezahl 25.000 Exemplare erreichte. Auch
da einige Beispiele behandelter Themen: "Hütet
Euch vorfalschen Propheten" (eine Warnung vor den
Zeugen Jehovas, als diese Sekte besonders gefährlich
zu werden drohte), "Ein Wort zur ökumenischen
Situation", "Was sagt die Evangelische Kirche
zur Frage der Geburtenregelung" u.a.
Eine besondere Form der Aufklärungsarbeit des Evangelischen
Bundes in der Vergangenheit waren die
Konfessionskundlichen
Tagungen.
Im Zusammenhang mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und
der aufbrechenden ökumenischen Bewegung erwiesen
sich konfessionskundliche Arbeitstagungen für Pfarrer
und Presbyter als dringend notwendig, um unsere konfessionelle
Position klar zu markieren. Für Presbyter und Gemeindevertreter
fand allerdings nur eine, für Pfarrer und Vikare
fanden vier statt, bei denen sich die Teilnehmerzahl von
30 bei der ersten bis zu 80 bei der dritten steigerte.
Die Kosten der Tagungen trug der Evangelische Bund in
Österreich.
Hervorragende Vortragende wirkten dabei mit: der Kirchenpräsident
von Hessen und Nassau und Präsident des Evangelischen
Bundes in Deutschland, D. Sucker, und nach seinem plötzlichen
Tod sein Nachfolger als Präsident des Evangelischen
Bundes in Deutschland, Univ.-Prof. D. Martin Schmidt,
Heidelberg, der Direktor des Konfessionskundlichen Institutes
in Bensheim, D. Lell, Bischof D. May, Altbischof D. Eicheie,
Propst Dondorf, Prof. DDr. W. Dantine und andere.
Gerade diese Arbeitstagungen haben uns schon damals klar
gezeigt, was manche erst später oder noch immer nicht
erkannt haben, dass die ökumenische Bewegung die
Konfessionen noch lange nicht überholt hat, sondern
sie im Gegenteil besonders ernst nehmen muss, will sie
einen sauberen, ehrlichen und segensreichen Weg gehen.
Und sie haben in uns die Erkenntnis bestärkt, die
sich nachher noch verfestigt hat, daß der Evangelische
Bund auch weiterhin unbeirrt seinen Weg gehen muss, den
ihm seine Statuten weisen.
Eine weitere Form der Aufklärung, die der Evangelische
Bund in Österreich unterstützt und auch aktiv
betreibt, ist
die
Zeitschrift "Martin Luther".
Über Anregung der Luther-Gesellschaft in Deutschland
gründete der Bundesobmann 1971 den "Österreichischen
Freundeskreis der Luther-Gesellschaft" und im Frühjahr
1972 die Zeitschrift "Martin Luther", von der
bisher 20 Nummern vorliegen. Die finanzielle Absicherung
dieser Zeitschrift, die in 800 Exemplaren erscheint und
gegen eine freiwillige Spende abgegeben wird, übernahm
zu einem Viertel der Martin-Luther-Bund und zu drei Vierteln
der Evangelische Bund in Österreich; in der Überzeugung,
damit auch ihren Zielen zu dienen: die Botschaft und Segnungen
der Reformation nicht nur erhalten zu helfen, sondern
auch weiter zu erschließen durch die neuesten Ergebnisse
der Lutherforschung.
Nur einige der bisher behandelten Themen seien hier als
Beispiele angeführt: "Lutherforschung - auch
im ökumenischen Zeitalter?" (W. v. Loewenich),
"Die Bedeutung der Lutherforschung für unsere
Gegenwart"
(W. Dantine), "Grundfragen der Reformation"
(W. v. Loewenich), "Liebe, Sexualität und Ehe
bei Luther" (Barton), "Martin Luther und die
Reformation in Österreich" (Reingrabner), "Der
mündige Christ bei Luther" (Mülhaupt),
Heft 15 mit vier Aufsätzen zum 450. Jubiläum
der Augsburgischen Konfession (Barton, W. Dantine, Reingrabner
und Sakrausky), "Luthers Kirchenverständnis"
(J. Dantine) und viele andere.
Finanzielle
Unterstützungen
Der Evangelische Bund in Österreich hat sich schon
seit eh und je nicht nur auf die aufklärende Tätigkeit
beschränkt, wie sie bisher kurz geschildert wurde,
sondern hat auch immer im Rahmen seiner Möglichkeit
finanzielle Unterstützungen an kirchliche Stellen,
Institutionen, Vereine im In- und Ausland gewährt.
Das
sind erstens die Beihilfen an Gemeinden (etwa zur Anschaffung
von Gesangbüchern, Deckung dringender Schulden, ja
auch für Bau- und Renovierungsarbeiten an Kirchen
und Pfarrhäusern u. ä.), Autobeihilfen für
Pfarrer und Religionslehrer, damit sie ihrem Dienst besser
nachkommen können, Stipendien an Studenten, die einmal
als Pfarrer, Lehrer, Gemeindehelfer und Gemeindeschwestern
in unserer Kirche arbeiten wollen, Subventionen für
unsere kirchliche Presse, das Institut für protestantische
Kirchengeschichte, für die Arbeit des "Blauen
Kreuzes" und der Arbeitsgemeinschaft "Arzt und
Seelsorger" u. ä. Die Summe dieser Unterstützungen
macht im Jahr rund 100.000 Schilling aus.
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